Lieder von Bulat Okudshawa aus dem Programm von E. Maaß
Bis auf „Ach, die erste Liebe“ Übersetzungen E. Maaß
LIED ÜBER DEN ARBAT*
*Stadtteil von Moskau, in dem Bulat
Okudshawa lebte
Wie ein Strom fließt du hin. Name voller Zauberkraft
Wasserhell der Asphalt wie des Flusses Bahn
Ach, Arbat, mein Arbat, du bist meine Leidenschaft
Du mein Leben, Arbat, du mein Glück und Gram
Deine Fußgänger sind Leute kleiner Position
Rasches Absatzgeklapp hastet durch die Stadt...
Ach, Arbat, mein Arbat, du bist meine Religion
Deiner Gassen Gewirr unter mir, Arbat
Von der Liebe zu dir keiner bisher Heilung fand
Andre Städte lieb er, vierzig an der Zahl!
Ach, Arbat, mein Arbat, du nur bist mein Vaterland
Ganz durchwandern, Arbat, kann ich dich niemals
KLAGE UM DEN ARBAT*
*Stadtteil von Moskau, in dem Okudshawa
die Kindheit verbrachte; zuletzt wohnte
er in der Gottlosen-Gasse
Bin vom Arbat vertrieben, Arbater Emigrant
In der Gottlosen-Gasse verkümmert mein Talent
Umstellt von fremden Blicken, feindselgem Häuserblock
Zwar ist die Sauna nahe, die Fauna geht am Stock
Bin vom Arbat vertrieben, Vergangenheit entrückt
Den Okkupanten bin ich nicht schrecklich, nur verrückt
Verlorn in fremden Schicksaln, der Fortgetriebnen Not
Ach, bitter schmeckt mein süßes, mein Emigrantenbrot
Kein Ausweis, ohne Visum, die Rose in der Hand
An unsichtbaren Grenzen geh ich, in sie gebannt
Und die vertrauten Orte, die ich noch finden kann
Ich schaue sie, ich schaue sie, ich schau sie nochmals an
Dieselben Trottoire, derselbe Hinterhof
Doch herzlos die Gespräche, die Feste seelenlos
Die Winterfarben lodern wie damals satt und rein
Doch kaufen Okkupanten bei meinem Bäcker ein
Geschäftiges Gehabe, von Hochmut spitz der Mund...
Die Flora ist dieselbe, die Fauna auf dem Hund!
Ich trag mein Kreuz und lebe, Arbater Emigrant
Die Rose ist erfroren in meiner heißen Hand
LIED VOM SCHWARZEN KATER
An der Hintertür, beim Aufgang
Mit dem Namen "Schwarzer Pfad"
Der kohlrabenschwarze Kater
Sein Schlaraffenleben hat
Tückisch duckt er sich ins Dunkle
Birgt im Schnurrbart seinen Spott
Alle Kater singen, weinen
Dieser Schwarze schweigt bigott
Längst schon fängt er keine Mäuse
Doch sein Schweigen uns erschreckt
Bei ner aufrichtigen Meinung
Fängt er uns wie Mäus mit Speck
Er schleicht nicht umher und bettelt
Lauernd starrt sein Raubtierblick
Jeder gibt von selbst ihm etwas
Und sagt "Danke!" ungeschickt
Keinen Laut nicht gibt er von sich
Schleckt Importbier, leckt am Schmalz
Schärft er seine Krall’n am Teppich
Ist’s als kralle er den Hals
Unser Haus, es ist deswegen
Nicht von Fröhlichkeit beseelt...
Eine Lampe müsste her -
Doch am Geld, am Gelde fehlts!
LIED ÜBER MEIN LEBEN
Ach, die erste Liebe -
macht das Herz mächtig schwach,
Und die zweite Liebe -
weint der ersten nur nach,
Doch die dritte Liebe -
schnell den Koffer gepackt,
schnell den Mantel gesackt,
und das Herz splitternackt.
Ach, der erste Krieg -
da ist keiner schuld,
Und beim zweiten Krieg -
da hat einer schuld,
Doch der dritte Krieg -
ist schon meine Schuld
ist ja meine Schuld,
meine Mordsgeduld.
Ach, der erste Verrat -
kann aus Schwäche geschehn,
Und der zweite Verrat -
will schon Orden sehn,
Doch beim dritten Verrat -
mußt du morden gehn,
selber morden gehn
- und das ist geschehn!
Ach, die erste Liebe -
macht das Herz mächtig schwach...
deutsch Wolf Biermann
LIED VON DEN SOLDATENSTIEFELN
Ihr hört, es stampfen Stiefel durch das Land.
Die Vögel sind verstört und fliegen auf.
Und Frauen schauen unterm Schirm der Hand.
Ob ihr versteht, wohin die Frauen schaun?
Es dröhnt der Schlag der Trommel, ob ihrs hört?
Soldat, sag ihr Lebwohl, Lebwohl!
Der Zug marschiert in graues Nebelmeer...
Vergangenheit tritt klar hervor, hervor.
Doch wenn es nach dem Kriege heimwärts geht,
Dann wo, Soldat, ist unser Heldenmut?
Ihn werden sicherlich die Frauen stehln,
Verstecken ihn wie’n Küken an der Brust.
Und wo sind unsre Frauen, bester Freund,
Betreten wir die Tür zum eignen Haus?
Sie kommen auf uns zu und führn uns rein,
In unserm Hause aber riechts nach Raub!
Die Hand scheucht das Vergangne: Lug und Trug!
Wir, voller Hoffnung, sehn die Zukunft licht!
Doch mästet sich im Feld die Krähenbrut.
Und auf dem Fuße folgt von Neuem Krieg.
Und wieder stampfen Stiefel durch das Land.
Die Vögel sind verstört und fliegen auf.
Und Frauen schauen unterm Schirm der Hand
Den kahl geschorenen Hinterköpfen nach...
DER PAPPSOLDAT
Es lebte einmal ein Soldat,
Ein tapfrer, wunderbarer!
Jedoch ein Spielzeug, bunt und platt,
Ein Pappsoldat nur war er.
Die Welt befrein, wie schön das klingt,
Für jeden Glück und Wahrheit!
Der zappelnd an den Fädchen hing -
Ein Pappsoldat nur war er.
Ach, Heldentode tausendfach
In Feuern und Gefahren
Litt er für euch - ihr habt gelacht:
Ein Pappsoldat nur war er.
Was euch geheim und wichtig ist,
Das hat er nie erfahren.
Warum? Darum! Ein nichtiger,
Ein Pappsoldat nur war er.
Er flehte ohne Unterlaß
Ihm ja nichts zu ersparen.
Rief: "Feuer! Feuer!" Ach, vergaß,
Ein Pappsoldat nur war er.
Ins Feuer! Vorwärts! Oder nicht?
Losstürmte wunderbar er.
Verbrannt für nichts und wieder nichts -
Ein Pappsoldat nur war er.
LIED ÜBER MOZART
Mozart spielt auf einer uralten Geige
Mozart spielt, die Geige singt
Mozart sucht sich nicht aus seine Heimat -
Spielt sich durchs Leben, was immer es bringt
Ach, jeder weiß, unser Schicksal heißt ewig
Mal Saus und Braus, ach, und mal Pulverdampf...
Gebt euer Mühen nicht auf, Maestro
Lasst von der Stirn nicht sinken die Hand
Irgendwo, letzte Station unsres Lebens
Sagen wir auch diesem Schicksal Dank
Doch aus den Sünden des ewigen Vaterlands
Macht keine Götzen ein Leben lang
Ach, jeder weiß, unser Schicksal heißt ewig
Mal Saus und Braus, ach, und mal Pulverdampf...
Gebt eure Hoffnung nicht auf, Maestro
Lasst von der Stirn nicht sinken die Hand
Kurz nur sind unsere jungen Jahre
Ein Augenblick - schon zerwehen, wie Feuer verbrennt
Das rote Wams und die goldenen Schuhe
Weiß die Perücke, mit Spitzen das Hemd
Ach, jeder weiß, unser Schicksal heißt ewig
Mal Saus und Braus, ach und mal Pulverdampf...
Achtet nicht drauf, gebt nicht auf, Maestro
Lasst von der Stirn nicht sinken die Hand
SCHARMANKA - SCHARLATANKA
LEIERKASTEN - SCHARLATAN
Scharmanka - Scharlatanka,
Wie süß, wie süß du singst!
Scharmanka - Scharlatanka,
Wohin du mich wohl bringst?
Ein Zoll in fünf Minuten -
So schlepp ich Bein für Bein,
Ach, wie ans Ziel gelangen,
Die Schuhe sind aus Stein!
Ach, Arbeit, Arbeit, Arbeit,
Ach, Arbeit immerdar...
Mög mir der Schweiß bloß reichen
Für alle meine Jahr!
Bezahlen-müssen für Fehler
Ist schließlich Mühe auch,
Mögs reichen für ein Lächeln,
Tritt man mich in den Bauch!
VORZEICHEN
Wenn der schwarze Rabe fliegt
Hoch in Himmel - dann gibts Krieg,
Wenn er weite Runden dreht,
Wenn er weite Runden dreht,
Heißt es, los, zur Front abgehts!
Daß niemehr ein Krieg geschieht,
Müßt ihr töten dieses Vieh,
Doch wie tötet man den Raben,
Doch wie tötet man den Raben -
Eine Flinte müßt ihr haben!
Schön lädt jeder ein Gewehr,
Keinem fällt das Schießen schwer,
Als die Ballerei beginnt,
Als die Ballerei beginnt,
Jede Kugel ihr Loch findt!
Sie kennt Mitleid nicht noch Gnad,
Jeden, den sie vor sich hat,
Ob er Feind, ob Freund genannt,
Trifft sie bis zum letzten Mann.
Keiner war mehr für sie da.
Nichts war mehr zu schießen da.
Nur der Rabe, schwarz und schön,
Nur der Rabe, schwarz und schön,
Kreist, als wäre nichts geschehn.
GEBET
Solang sich noch die Erde dreht, solang das Licht noch währt,
Schenk, lieber Gott, doch jedem das, was er entbehrt:
Schenk Pfiffigkeit dem Weisen, dem Feigling schenk ein Pferd,
Schenk ein paar Scheinchen dem Glücklichen...
Denk auch an mich dabei, Herr!
Solang sich noch die Erde dreht, Herr, du hast die Macht,
Laß die, die danach gieren, sich sattfressen an Macht,
Dem Wohltäter gönn eine Pause, nur bis die Nacht anbricht,
Schenke doch Kain die Reue...
Denk, Herr, dabei auch an mich!
Ich glaube an deine Allmacht und deine Allwissenheit,
So wie der gefallne Soldat glaubt an Himmel und Ewigkeit,
So wie jedes Ohr deinen leisen Reden glaubt im Nu,
So wie wir selbst immer glauben,
Und wissen nicht, was wir tun!
Herrgott, du ewiger Vater, du Grünäugiger mein!
Solang sich noch die Erde dreht, was selbst ihr seltsam scheint,
Solange sie nicht stillsteht in Kälte und Finsternis,
Schenke doch allen ein wenig...
Mich, Herr, dabei nicht vergiß!
LIED VOM BLAUEN LUFTBALLON
Mädchen, nicht weinen
Um den Luftballon!
Trost dafür gibts keinen.
Schau, er fliegt davon.
Mädchen, nicht weinen
Um den Bräutigam.
Trost dafür gibts keinen.
Der Luftballon fliegt himmelan.
Frau, warum weinst du,
Dich verließ dein Mann?
Trost dafür gibts keinen.
Der Luftballon fliegt himmelan.
Kurz ist unser Glück,
Weint die alte Frau.
Der Luftballon kehrt zurück -
Und ist himmelblau.
LIED ÜBER DEN WEITEN WEG*
*Synonym für Verbannung
Dein erstes Fest und späten Verlust wirst du vergessen,
Wenn goldene Mondesräder die Himmelsweiten messen,
Ein eulenhafter Schatten vom Kutscherbock sich beugt,
Das Liebeslied der Grille dir in die Seele geigt.
Mag schauen von der Schwelle die Schöne, sie welkt eilig,
Ach, stolz ist sie und boshaft, und sie ist blind und heilig...
Der Liebreiz ihrer Arme, ach, ihres Bettes Glut ...
Freund, Bruder, reiß dich los, und ruf ihr zu „Machs gut!“!
Die Frau wirds überleben, sie sucht sich einen anderen,
Sie findet irgendeinen wie dich, ach, nichts Besonderes.
Der weite, weite Weg, den dir das Schicksal gab,
Wie mütterliche Tränen, nie lässt er von dir ab.
Solang die Räder rollen und Mond und Nacht nicht weichen,
Ein Weg von solcher Weite wird für uns beide reichen.
Was redest du dir Schuld ein und hältst mit dir Gericht,
Freund, was du nicht verlierst, das findest du auch nicht.
Vom Kieferscheit der Brotduft, vom Himmel Licht und Heilung,
Der armen Liebe Söhnchen ist totenbleich zuweilen ...
Der weite, weite Weg...Der weite, weite Weg...
Der weite, weite Weg...
FÜR WOLODJA WYSSOZKI
Für Wolodja Wyssozki hab ich ein Lied schreiben wolln.
Einer kehrt nicht zurück, der wenigen Aufrechten einer.
Hat gesündigt, sagt man, sich zur falschen Zeit fortgestohln...
Hat gelebt wie er konnte, ohne Sünde ist keiner.
Doch nicht lang ist die Trennung, ein Augenblick nur, und schon
Ist es Zeit auch für uns und wir folgen der Spur, die noch heiß ist.
Über Moskau mög kreisen sein heiserer Bariton,
Gemeinsam mit ihm unser Lachen und unser Weinen.
Für Wolodja Wyssozki hätt ich ein Lied gern gefügt,
Doch es zittert die Hand mir, mein Vers zerbricht wieder und wieder...
Moskau schneeweißer Storch in den schneeweißen Himmel aufstieg,
Moskaus pechschwarzer Storch ließ zur pechschwarzen Erde sich nieder.
SCHLACHTENGEMÄLDE
Dämmerung. Der Flöte aufgeregte Stimme. Später Ausritt. Landschaft.
Auf dem ersten Pferde sitzt der Imperator. Blau der Zarenmantel.
Grau die Schimmelstute mit den braunen Augen. Rabenschwarz der Nacken.
Purpurn die Schabracke. Rücklings Truppen traben, als gings zur Attacke.
Hinterm Imperator reiten Generäle, Herren höchsten Ranges.
Orden schwer behangen, Schrammen an den Wangen, ach, dem Tod entgangen?
Dann die Duellanten, Flügeladjudanten, Glanz der Epauletten...
Alle sind sie edel, alle sind Talente, alle sind Poeten.
Matter tönen Klänge gestriger Klaviere, vormaliger Stimmen.
Nur der Hufe Treten, die nervöse Flöte Hoffnung bläst noch immer!
Matter die Gerüche, Brot und Milch, die Küche, die vertrauten Zimmer.
Über ihren Köpfen, unter ihren Füßen - Erde nur und Himmel,
Erde nur und Himmel...Erde nur und Himmel...
GEORGISCHES LIED
Eine Weinrebe will ich in feuchtwarmen Erdboden graben,
Ich küsse den Weinstock und sammle die Trauben mir ein,
Dann lad ich die Freunde, sie freundlichen Herzens zu laben...
Diese ewige Erde - wozu sollt ich sonst auf ihr sein?
Herbei, Freunde, setzt euch zu meinem Gelage der Reben,
Sagt frei, was ihr über mich denkt, reinen Wein schenkt mir ein,
Der Himmelszar, er wird mir all meine Sünden vergeben...
Diese ewige Erde - wozu sollt ich sonst auf ihr sein?
In schwarzrotem Samt singt am Abend für mich meine Dali,
Und ich, in Schwarz-weiß, neige tief mich vor göttlichem Schein.
Ihr lauschen - und sterben vor Liebe, Kummer und Qualen...
Diese ewige Erde - wozu sollt ich sonst auf ihr sein?
Wenn das Abendrot flammend sich ballt, überflutend die Schwelle,
Dann ziehn wieder und wieder am sinkenden Auge vorbei
Blauer Büffel,
der perlweiße Adler,
die goldne Forelle...
Diese ewige Erde - wozu sollt ich sonst auf ihr sein?